Zu den Auswirkungen einer präventiven Kulturstrategie auf Pflanzen und Umwelt!

Zu den Auswirkungen einer präventiven Kulturstrategie auf Pflanzen und Umwelt!

Zu den Auswirkungen einer präventiven Kulturstrategie auf Pflanzen und Umwelt!

20.12.2021 10:55:38

Kirsten Leiss hat sich im Rahmen eines Interviews zu den Folgen der nachhaltigen Erzeugung für die Pflanzengesundheit geäußert. Welche Auswirkungen hat eine widerstandsfähige Pflanze auf die Umwelt? Was bedeutet das für die Kulturstrategie? Und welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Erzeuger, Wissenschaftler und Zulieferer?

Dr. Kirsten Leiss, Senior Researcher Plant Health an der Wageningen University & Research, vertritt dazu einen interessanten Ansatz. Im Rahmen des Interviews beschrieb sie zunächst den Abwehrmechanismus der Pflanze. Dessen Kenntnis ist wichtig, weil er sich auf die Abwehrfähigkeit der Pflanze auswirkt. Und die wiederum hat Einfluss auf nachhaltige Erzeugung.

Wie verteidigt sich eine Pflanze?

Kirsten Leiss beginnt das Interview mit einer leidenschaftlichen Einlassung zu den Abwehrmechanismen von Pflanzen: ‘Eine Pflanze kann sich einem Angriff nicht durch Flucht entziehen, also benötigt sie einen anderen Abwehrmechanismus als ein Tier. Man denke an die Produktion von Abwehrstoffen, die die Pflanzen für Schädlinge und Krankheiten weniger attraktiv machen oder den Ausstoß flüchtiger Substanzen, um Eindringlinge abzuschrecken und deren natürliche Gegenspieler anzulocken. Andere Pflanzen verteidigen sich mit Stacheln, Dornen, Behaarung oder einer dicken Wachsschicht.‘

Der Mensch als Beschützer

In den zurückliegenden Jahrzehnten haben wir den Pflanzen mit der Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen geholfen. Das haben wir mit viel Erfolg durch den Einsatz von Pestiziden getan. Doch haben wir damit nicht die pflanzeneigenen Mechanismen aus dem Blick verloren? Und haben wir bei der Selektion neuer Sorten statt auf die Widerstandskraft der Pflanze nicht zu viel auf den Zierwert geschaut? Sind wir aufgrund der reaktiven Praxis der Krankheits- und Schädlingsbekämpfung vielleicht ‘träge’ geworden?

Wie können wir Pflanzen widerstandsfähig machen?

Die Leitende Wissenschaftlerin Leiss hat in den zurückliegenden Jahren intensiv zu Funktionsabläufen von Pflanzen und deren Reaktion auf Krankheiten geforscht. Ihrer Ansicht nach sollten die Erzeuger von einem reaktiven zu einem proaktiven Ansatz wechseln. ‘Durch die präventive Bekämpfung von Krankheiten und einen besonderen Schwerpunkt auf widerstandsfähige Pflanzen kreiert man eine gesunde, widerstandsfähige und qualitativ höherwertige Pflanze. Die Folge dessen sind weniger Ausschuss und eine Pflanze, die besser für die Umwelt ist. Um dies erreichen zu können, müssen wir in verstärktem Umfang auf die pflanzeneigenen Abwehrmechanismen zurückgreifen.’

‘Nehmen Sie das Beispiel Mehltau: Bevor Sie den das erste Mal sehen, ist er schon seit 10 Tagen im Gewächshaus. Mit einem präventiven Ansatz können Sie die Ausbreitung von Mehltau vermindern.’

Was macht die Änderung der Kulturstrategie schwierig?

Dieser Ansatz setzt bei den Erzeugern allerdings eine andere Haltung voraus. ‘Eine abwartende Haltung kann man sich nicht mehr leisten’, fährt Kirsten Leiss in dem Gespräch fort. ‘Erzeuger sollten wesentlich gründlicher über die Schritte nachdenken, die sie im Vorfeld unternehmen möchten. Welche Pflanzen und Sorten selektiere ich, welche Pflanzenschutzstrategie wende ich an und wie stelle ich ein optimales Mikroklima sicher? Es bedarf eines verschiedene Formen des Pflanzenschutzes umfassenden integrierten Ansatzes (IPM). Darüber hinaus müssen sie die Pflanzen einem gründlichen Monitoring unterziehen, damit sie rechtzeitig wissen, ob die neue Strategie auch funktioniert.’

Natürlich kann man diese Strategie als eine spannende Herausforderung betrachten, andere wiederum dürften sie eher als belastend erfahren. Kirsten Leiss ist bewusst, dass die Erzeuger damit hadern. ‘Wir haben es mit lebenden Pflanzen, mit Krankheiten und unterschiedlichen Möglichkeiten zum Schutz der Pflanzen zu tun, die zu den Anforderungen der Erzeugung passen müssen. Das erschwert die Entwicklung und Implementierung einer soliden Kulturstrategie. Dazu bedarf es einer Fülle an Wissen. Wir müssen diese Fülle an Wissen folglich teilen und mit allen Akteuren zusammenarbeiten.’

Aus welchen Elementen besteht eine präventive Kulturstrategie?

Als Grundlage einer präventiven Kulturstrategie benennt Kirsten Leiss drei Bausteine: die Selektion resistenter Pflanzen, die Anwendung von biologischem und physikalischem Pflanzenschutz und die Schaffung eines soliden Mikroklimas.

Resistente Pflanzen

‘Erzeuger sollten ihre Pflanzen auf der Grundlage von deren Krankheitsresistenz selektieren. Damit schaffen sie eine solide Grundlage und erleichtern die Erzeugung solider und widerstandsfähiger Pflanzen. Bis zum heutigen Tag wird vornehmlich auf das Anforderungsprofil der Kunden abgehoben (Geschmack, Haltbarkeit und Zierwert).’ Nach Aussage von Kirsten Leiss stellen resistente Pflanzen für eine präventive Kulturstrategie einen ausgesprochen wichtigen Ausgangspunkt dar.

Biologischer und physikalischer Pflanzenschutz

Kirsten Leiss benennt als zweiten Baustein: ‘Biologischer und physikalischer Pflanzenschutz sind Bestandteil einer präventiven Kulturstrategie. Im Rahmen des biologischen Pflanzenschutzes werden Krankheiten und Schädlinge mit natürlichen Gegenspielern bekämpft. Als Beispiel für physikalischen Pflanzenschutz sei der regelmäßige Einsatz von UV-C-Strahlung genannt, eine viel versprechende und proaktive Maßnahme gegen Schimmelsporen. ’

Mikroklima

‘Baustein Nummer Drei ist das ausgesprochen wichtige solide Mikroklima, wie beispielsweise die für die Pflanzen richtige Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Versuchen Sie ein Klima zu kreieren, dass für Pflanzen ideal, für Krankheiten aber schädlich ist. Das erweist sich als ausgesprochen schwierig, wobei es vor allem auf die Detailebene ankommt.’

Zu diesem letztgenannten Aspekt ergeben sich aus Sicht von ErfGoed auch Möglichkeiten. Aktuell wird das Klima vor allem im oberen Bereich des Gewächshauses bestimmt. Wenden wir den Blick doch einmal auf den Boden.

Forschung zu Biostimulanzien

Leiss fügt für Erzeuger noch eine Anmerkung zu Biostimulanzien hinzu, die mit dem Ziel der Stimulierung der Widerstandskraft von Pflanzen ebenfalls zu einer präventiven Kulturstrategie gehören. ‘Ich gehe davon aus, dass verschiedene Arten von Biostimulanzien auf den Markt kommen werden. Deren Wirkung kann unter wechselnden Bedingungen höchst unterschiedlich ausfallen, was auch zu ausgesprochen unterschiedlichen Ergebnissen führt. Darin erblicke ich eine Rolle für die Wissenschaft. Sie muss den Erzeugern Leitlinien an die Hand geben, damit diese die Biostimulanzien unter den jeweiligen Bedingungen richtig einsetzen können. Beispielsweise: Dieses Biostimulans wirkt bei der Erzeugung junger Gemüsepflanzen unter nicht zu nassen Bedingungen.’

Welcher Zusammenhang besteht zwischen widerstandsfähigen Pflanzen und nachhaltiger Erzeugung?

Eine widerstandsfähige Pflanze reagiert weniger empfindlich auf Krankheiten und Schädlinge. Das erlaubt die nachhaltige Reduzierung des Versprühens von Pestiziden und dient der Verbesserung der Pflanzenqualität. Das wiederum passt zu einer Strategie des nachhaltigen Land- und Gartenbaus mit geringen Auswirkungen auf die Umwelt.

Welche Schritte sollten die Erzeuger unternehmen?

Wenn es nach der Leitenden Wissenschaftlerin Leiss geht, sollten die Erzeuger kleine Schritte unternehmen. ‘Zuerst sollte die Lage erfasst werden, wie sie aktuell ist. Im nächsten Schritt sollten Sie festlegen, für welche Pflanzen Sie eine neue Kulturstrategie anwenden wollen. Dann folgen kleine Schritte zur Optimierung der Kulturstrategie. Parallel dazu sollte das Gespräch mit der Wissenschaft gesucht werden.

Im Rahmen einer solchen Kooperation können wir Ihre Praxiserfahrung mit unserer Forschung zusammenführen. Wir unternehmen in unseren Versuchen erste Schritte, deren Ergebnisse Sie anschließend in der Praxis ausprobieren können. Auf der Grundlage Ihrer Erfahrungen können wir dann weiter optimieren, bis wir eine gute Lösung gefunden haben. Allerdings braucht eine gute Lösung ihre Zeit. Sollten Sie also Forschungsbedarf haben, lassen Sie uns dies bitte frühzeitig wissen.

Erfgoed

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